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PRESSE: Wahnsinnig gut: Verbundschüler glänzen mit „Einer flog über das Kuckucksnest“

Eintrag vom 10. Dezember 2018

Hille (kr). Eine junge Frau in weißem Kittel, mit hochgesteckten Haaren und strenger Brille führt die Besucher zum Ort des Geschehens. „Bleiben Sie auf Ihren Plätzen und keine Angst, es ist Sicherheitspersonal vor Ort. Den Anweisungen ist unbedingt Folge zu leisten.“ Wie eine Schleuse wirkt der mit einem Vorhang abgetrennte Raum, der zu durchqueren ist. Er ist komplett dunkel, lediglich ein paar Markierungen in Leuchtschrift weisen den Weg. An den Wänden stehen in neonfarbener Schrift Sprüche, in denen es um Freiheit geht.

Die Besucher sind schon mittendrin in Ken Keseys Roman „Einer flog über das Kuckucksnest“, den er Q2-Literaturkurs der Verbundschule Hille für die Bühne adaptiert hat. Die ungewöhnliche Begrüßung des Publikums ist nur eine von vielen eigenen Ideen in der Umsetzung der Schüler. Sie haben sich nicht an der bekannten und mit fünf Oscars ausgezeichneten Verfilmung von Milos Forman aus dem Jahre 1975 orientiert, sondern an der Romanvorlage. Wieder und wieder und bis kurz vor der Premiere haben sie ihre Bühnenfassung verändert und ihr Skript schließlich von 140 auf 70 Seiten herunter gebrochen. Sie haben Texte gelernt und wieder verworfen, sich vor allem aber auch eigene Gedanken gemacht. Zum Beispiel darüber, was für sie Freiheit bedeutet.

Über fast drei Stunden inklusive Pause erleben die Besucher, was es heißt, wenn Menschen nicht in ein System passen, das ihnen von anderen auferlegt wurde. „So behandelt die Gesellschaft Leute, die anders sind“, antwortet Harding, einer der Insassen einer Irrenanstalt, dem Neuankömmling Randle Patrick McMurphy auf die Frage: „Was ist das alles hier?“.

McMurphy, überzeugend selbstsicher gespielt von Nico Schiweck, wurde in die Anstalt eingewiesen. Ihm werden mehrere Vergehen vorgeworfen, was mit seinen eigenen Worten so klingt: „McMurphy rauft zu viel und ist in seinen sexuellen Beziehungen zu hitzig.“ Um dem Arbeitsdienst im Gefängnis zu entgehen, hat er eine psychiatrische Erkrankung vorgetäuscht, die nun überprüft werden soll. Auf der von der herrischen Oberschwester Ratched (klasse: Sanne Pohlmann) geführten Station stellt er sich gleich als „der neue Ober-Spinner“ vor. Die meisten Patienten haben sich selbst einweisen lassen, weil sie mit dem Leben da draußen nicht mehr zurecht kamen. So etwa der Stotterer Billy Bibbit, beeindruckend verkörpert von Nina Auktuhn, dem es gehörig an Selbstvertrauen mangelt und Harding (Rune Jesper Dierßen), der vor seiner übermächtigen Frau geflohen ist und sich hinter Büchern versteckt.

Franka Sarres spielt den sich andauernd kratzenden Scanlon, und Merle Aldag fuchtelt als unter Epilepsie leidender Cheswick ständig mit den Armen. Dann ist da noch der Indianer Bromden (Lea Marie Lewandowski), von McMurphy „Häuptling“ genannt, der sich taub und stumm stellt. Und für ganz besonders tragikomische Momente sorgt immer wieder Lea Droste, die die Schule vor einem halben Jahr verlassen hat um ins Berufsleben zu wechseln. Sie spielt ihre Rolle als aufmüpfig-durchgeknallter Martini mit komischen Verrenkungen, Kuckuck ähnlichen Lauten und trocken eingeworfenen Kraftausdrücken einfach herrlich.

Ratched steht an der Spitze eines geschlossenen Systems, in dem ein freier Geist nicht erwünscht ist. McMurphy stellt die vorgegebene Ordnung in Frage und wiegelt die anderen Patienten auf. Zwischen ihm und Ratched kommt es zum Machtkampf, in dessen Verlauf nicht nur McMurphy selbst, sondern auch einige seiner Mitinsassen auf der Strecke bleiben. Nach einem tätlichen Angriff auf Ratched wird McMurphy einer neurochirurgischen Operation unterzogen und so außer Gefecht gesetzt. In der ergreifenden Schlussszene laufen die Schüler noch einmal zur Hochform auf. Ann-Celine Dex und Elena Schäfer singen ein bewegendes Duett. Lea Marie Lewandowski spielt zwei selbst komponierte Stücke am Klavier. In ihrer Rolle als Bromden erstickt sie McMurphy mit einem Kissen. Der Indianer spricht wieder und findet eindringliche Worte für seine Tat: „Ich habe ihn nicht getötet, ich habe ihn befreit. Er hat mir gezeigt, dass ich wieder so sein kann, wie ich einmal war.“ Mit einem Ausdruckstanz auf halbdunkler Bühne lässt Karoline Wittemeier das bedrückende Ende wirken. Stark gemacht.

Copyright © Mindener Tageblatt 2018

Quelle: https://www.mt.de/lokales/hille/22319244_Wahnsinnig-gut-Verbundschueler-glaenzen-mit-Einer-flog-ueber-das-Kuckucksnest.html

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