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Eine Erfahrung fürs Leben

Eintrag vom 19. Mai 2022

Seit mehr als sieben Monaten lebe ich nun schon in Watertown, Süddakota, dem Mittleren Westen der USA bei meiner Gastfamilie. Mit der Anreise damals im August stand ich gleich vor meiner ersten Herausforderung.

Mein Anschlussflug von Chicago nach Watertown wurden wegen eines Unwetters abgesagt. Da stand ich also mitten in der Hektik des Chicagoer Flughafens, allein am anderen Ende der Welt und versuchte eine Lösung zu finden. Glücklicherweise konnte ich ein Hotelzimmer buchen und am nächsten Morgen zu meiner Gastfamilie weiterreisen. Meine beiden jüngeren Gastgeschwister und meine Gasteltern haben mich sehr herzlich empfangen und mich am nächsten Tag gleich zum Familienurlaub mitgenommen. Wir hatten reichlich Zeit, uns näher kennenzulernen, während wir den Wilden Westen der USA erkundet haben. Die wüstenartige Landschaft des Nordens im Kontrast zu den bewaldeten Hügeln im Westen des Staates war sehr beeindruckend und ich habe hautnah erfahren, wie vielseitig Amerika eigentlich ist.

Es hat nicht lange gedauert, bis dann die Schule angefangen hat. Der Unterricht war anfangs eine ziemliche Umstellung, da ich jeden Tag den gleichen Stundenplan habe, der aus nur vier Fächern besteht. Zudem lernen die Schüler größtenteils selbstständig mithilfe des Computers und anstelle von interaktivem Unterricht stellen viele Lehrer Videos oder Arbeitsblätter ein. Auf der anderen Seite bietet die Schule eine große Auswahl an künstlerischen und musikalischen Fächern an, die in jedem Quartal neu gewählt werden. Ich habe mit großer Freude an zwei Töpferkursen teilgenommen und habe eine Menge gelernt. Im Herbst bin ich außerdem dem Cross Country Team beigetreten. Wir machen Ausdauerläufe in der freien Natur und auf Sportplätzen. Sport spielt eine große Rolle in der Schule und es gibt eine große Auswahl von Ringkampf bis hin zu Cheerleading. Guten Sportlern bietet sich sogar die Möglichkeit, ein Stipendium für ein College zu bekommen. Diese sind sehr begehrt, da die Bildung in Amerika ziemlich teuer werden kann. Mein Team hat nach der Schule jeden Tag für etwa eine Stunde für die Wettkämpfe trainiert, die fast jedes Wochenende stattfinden. Am Homecoming, einer Tradition, um ehemalige Schüler zu empfangen, habe ich erstmals den School Spirit erlebt. Im Zentrum stand ein Footballspiel, die Schule wurde passend zu den Schulfarben dekoriert, es gab Dress Up Days, eine Parade und anschließend einen Tanz.

Die Leute hier in den USA erlebe ich als sehr freundlich und aufgeschlossen. Oft werde ich mit einem enthusiastischen „How are you?“ begrüßt und werde interessiert nach meinem Akzent gefragt. Nachdem die Cross Country Saison vorbei war und es langsam kälter wurde, bin ich dem Schwimmteam beigetreten. Ich genieße es sehr, die Möglichkeit zu haben, verschiedene Sportarten auszuprobieren und gleichzeitig neue Leute kennenzulernen. Einige meiner Freunde werden von zu Hause unterrichtet und neben kirchlichen Aktivitäten ist Sport die einzige Möglichkeit für sie, mit Gleichaltrigen in Kontakt zu kommen. 

Ein großer Unterschied zu Deutschland ist, dass man den Führerschein hier schon mit 14 bekommen kann und somit sehr früh unabhängig ist. Der Winter war auch eine interessante Erfahrung, da es hier oft bis zu -30°C kalt wird, während die Temperaturen im Sommer bis auf 38°C steigen können. In den Wintermonaten haben wir daher wenig Zeit draußen verbracht und die Schule wurde einige Male aufgrund von Schnee und Kälte abgesagt. In den Nachrichten gab es Kältewarnungen, dass Erfrierungen in weniger als 5 Minuten auftreten können und während eines Schneesturms wurden die Straßen geschlossen, sodass niemand die Stadt verlassen konnte.

Ich bin sehr dankbar für all die Erfahrungen, die ich bereits gemacht habe und noch machen werde. Es ist sehr bereichernd, einen Einblick in eine andere Kultur zu bekommen und somit den eigenen Horizont erweitern zu können. Die Entscheidung, mein altes Leben für ein Jahr hinter mir zu lassen und in eine neue Welt einzutauchen, habe ich nie bereut. Ich bin Teil einer zweiten Familie geworden, habe viele neue Leute kennengelernt und außergewöhnliche Erfahrungen machen dürfen. Ich kann jeden, der über einen Auslandsaufenthalt nachdenkt, nur dazu ermutigen.

von: Greta Schulze Höing, März 2022

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