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PRESSE: Vom Bundespräsidenten ausgezeichnet: Hiller Verbundschüler gewinnen bei Geschichtswettbewerb

Eintrag vom 19. September 2025

Die intensive Beschäftigung mit dem Thema Flucht aus den deutschen Ostgebieten hat die jungen Forscherinnen und Forscher zu spannenden Ergebnissen geführt.

Das Interesse an Geschichte, besonders an der Zeit rund um den Zweiten Weltkrieg, war bei Lene Riechmann schon länger groß. Dass sie dafür aber einmal eine Auszeichnung vom Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier erhalten würden, hatte sie nicht erwartet. Ähnlich ging es wohl Fenja Schütte, Gianna-Carolina Kroner, Louisa Müller und Lucas Kutz, die bei der Verleihung ihres Abiturs am Freitag dazu noch die vom Präsidenten unterzeichneten Urkunden entgegennehmen durften.

Für die Verbundschule Hille sind diese Auszeichnungen ein toller Erfolg, auf den auch Schulleiter Dirk Schubert sichtlich stolz ist: „Ich bin froh, dass es dieses Engagement gibt, dass über den normalen Unterricht hinaus geht“, sagt der Rektor – und meint damit nicht nur die Schülerinnen und Schüler, sondern auch die beiden Geschichtslehrer Karoline Neuser und Ragnar Bergel.

Teilnahme aus eigenem Antrieb

„Bis hierhin und nicht weiter!? Grenzen in der Geschichte“, lautete das Thema der 29. Ausschreibung des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten. Bundesweit sind 6.720 Kinder und Jugendliche auf historische Spurensuche gegangen und haben 2.289 Beiträge eingereicht. Während Karoline Neuser mit ihrem 13er-Geschichtskurs insgesamt am Wettbewerb teilnahm, war Lene Riechmann aus eigenem Antrieb dabei: Die Neuntklässlerin hatte sich nach den Sommerferien auf die Suche nach Geschichtswettbewerben gemacht und sich dann mit dem Thema auseinandergesetzt. Unterstützung bekam sie bei ihrem Geschichtslehrer Ragnar Bergel.

„In das Thema konnte man viel hineininterpretieren“, erzählt die Schülerin. Bei ihrer Recherche stieß sie dann auf den Bund der Vertriebenen, den es noch bis vor einigen Jahren als gemeinsame Ortsgruppe mit Hahlen, Nordhemmern und Holzhausen II auch in ihrem Heimatort Hartum gab – und damit auf die ehemalige Schriftführerin Margret Riechmann. 1945 war sie als damals zweijähriges Mädchen mit ihrer Familie und der Familie des inzwischen verstorbenen ehemaligen Vorsitzenden des Ortsvereins Klaus Reimler nach Hartum geflohen, wohin es zu diesem Zeitpunkt wirtschaftliche Verbindungen gab. Mit der Hartumerin führt sie dann Gespräche, die sie aufnimmt und schließlich zu einem Podcast zusammenfügt.

Das Thema durchdrungen

„Ich interessiere mich sehr für Geschichte und besonders für die Zeit des Zweiten Weltkriegs“, sagt Lene Riechmann. Auch später würde sie gerne beruflich etwas machen, bei dem ihre Leidenschaft für Geschichte eine Rolle spielt. Ragnar Bergel ist die Neigung seiner Schülerin zu Vergangenem schon länger aufgefallen: „Mit Lene habe ich eine Schülerin in der Klasse, die nicht nur geschichtsinteressiert ist, sondern die das auch durchdrungen hat.“

Und so hat er die Neuntklässlerin mit seiner historischen Kompetenz unterstützt – die Arbeit machte sie aber alleine. „Was Schülerinnen und Schüler begeistern kann, ist Geschichte in ihre Lebenswirklichkeit, in das Jetzt zu holen. Wenn man das mit Zeitzeugen machen kann, ist das natürlich genial.“

Angst, etwas zu fragen, was sie nicht erzählen will

Das war auch für Lene Riechmann etwas ganz Besonderes. „Ich habe im Fernsehen schon viele Dokumentationen gesehen, in denen auch Zeitzeugen zu sehen waren – aber mit Margret Riechmann zu sprechen, hat mich noch mal anders mitgenommen. Manchmal habe ich auch Angst gehabt, in ein Fettnäpfchen zu treten, zum Beispiel etwas zu fragen, was sie nicht erzählen will.“

Die Gespräche über die Vergangenheit hat auch ihre Wahrnehmung zum Thema Flucht und Migration beeinflusst. „Viele Jugendliche äußern sich ja einfach dazu, ohne sich damit zu beschäftigen“, stellt sie fest. „Das hat Auswirkungen, das hat man ja auch bei den Wahlen gesehen.“ Dabei hätten auch die Deutschen, die vor inzwischen 80 Jahren aus anderen Teilen Deutschlands kamen, das Leben in Hartum verändert, mit ihren Gerichten, ihrer Kultur, neue Vereine seien entstanden und hätten das Leben der Dorfbewohner beeinflusst. „Alles, was passiert ist, formt uns ja.“

Lene Riechmann

Nicht immer fiel Lene Riechmann die Arbeit an ihrem Projekt leicht. Von September bis Februar verbrachte sie einen großen Teil ihrer Freizeit mit dem Vorhaben. Ihre Neigungen kamen ihr dann zugute: „Ich mag kreatives Schreiben – und darüber zu grübeln, warum Geschichte wichtig ist.“

„Wollte schon immer teilnehmen“

Dass dann auch noch eine Gruppe des aktuellen Abiturjahrgangs bei der feierlichen Abi-Entlassung Urkunden desselben Wettbewerbs entgegennehmen konnten, war nur teilweise ein Zufall: „Ich wollte da schon immer mal mit Schülerinnen und Schülern teilnehmen“, sagt Karoline Neuser. Nun ist ihr das sogar mit einem ganzen Kurs gelungen – obwohl es sich um einen Zusatzkurs handelte, den die meisten Schülerinnen und Schüler des Abiturjahrgangs nur besuchen mussten, weil sie eine gewisse Stundenanzahl im geisteswissenschaftlichen Bereich erfüllen müssen.

Trotzdem habe es ein hohes Motivationspotenzial gegeben, sagt die Geschichtslehrerin. Der ganze Kurs diskutierte zunächst verschiedene Ideen und Assoziationen zum Thema Grenze. In drei Gruppen arbeiteten die Schülerinnen und Schüler an unterschiedlichen Themen. Für Karoline Neuser besonders wichtig: Die Schülerinnen und Schüler beschäftigten sich so quasi nebenbei mit wissenschaftlichen Techniken, wie dem Studium und Einordnen von historischen Quellen zum Beispiel im Kommunalarchiv oder im Internet. Ausgezeichnet wurde schließlich ein Beitrag über schlesische Vertriebene nach dem Zweiten Weltkrieg.

Auch Fenja Schütte, Gianna-Carolina Kroner, Louisa Müller und Lucas Kutz setzten dabei auf eine Zeitzeugin. „Die Tante eines Gruppenmitglieds diente uns nicht nur als persönliche Quelle, sondern wurde auch zur Inspiration für unser gesamtes Projekt“, berichtet Louisa Müller stellvertretend für die Gruppe. Aus Erzählungen und historischen Quellen versuchte die Gruppe dann, einen Ausschnitt aus dem Leben der Tante möglichst authentisch als fiktives Tagebuch nachzuerzählen. „Unterstützt wurden wir dabei durch einen Besuch im Kommunalarchiv, intensive Internetrecherche und ein ausführliches Interview mit der Zeitzeugin, die uns viele wertvolle Einblicke gab.“

Ausgerechnet am Tag der mündlichen Abiturprüfungen kam dann die Nachricht: Auch ihr Beitrag wurde mit einem Preis ausgezeichnet. „Das war eine wunderbare Bestätigung dafür, dass sich unser Einsatz und Engagement gelohnt haben.“

Quelle: https://www.mt.de/lokales/hille/Vom-Bundespraesidenten-ausgezeichnet-Hiller-Verbundschueler-gewinnen-bei-Geschichtswettbewerb-24139021.html?nc

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