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Medien-Revue an der Verbundschule: Kritik von der Smartphone-Generation

Eintrag vom 4. Dezember 2017

Hille (kr). „Medien“ – wenn das mal nicht das perfekte Motto ist, um darüber in der Zeitung zu berichten. Der Literaturkurs der Q2 an der Verbundschule Hille hat sich des Themas angenommen und die Entwicklung von der Erfindung des Buchdrucks bis in die digitalisierte Gegenwart in eine rasante Revue verpackt.

Unter der Überschrift „Medien: Wir machten Sie. Sie machten uns.“ präsentierten die angehenden Abiturienten an zwei Abenden bedeutende Meilensteine, humorvolle Persiflagen und berührende Momente, die nachdenklich stimmten. Bei der Premiere vor großem Publikum in der Schul-Aula gab es begeisterten Jubel.

Die wohl stärksten Momente waren die, in denen sich die Schüler kritisch mit der Medienkultur auseinandersetzten. Ohne erhobenen Zeigefinger, mal heiter, mal intensiv ergreifend oder auch in einer gelungenen Mischung aus beidem, richteten sie den Blick dabei auch auf sich selbst: die Smartphone-Generation. Schon der Auftakt zeigte, dass sich die 33 Teilnehmer des Literaturkurses besonders auch damit beschäftigt hatten, wie Medien genutzt werden und mit ihnen umgegangen wird.

Die Erkenntnis aus einem Gespräch mit einem in die Gegenwart gebeamten Immanuel Kant angesichts von Internet, Computer, Handy, Twitter und Youtube beispielsweise: Die Möglichkeit, Informationen auf Knopfdruck in der ganzen Welt zu verbreiten, hat auch ihre Schattenseiten. Mit den Worten der Schüler ausgedrückt: „Die Instrumente der Aufklärung sind in die Hände der Beauty-Industrie geraten.“ Mit ihrer Eingangsszene erinnern die Schüler an den „kategorischen Imperativ“, Kants grundlegendes Prinzip der Ethik, sein eigenes Tun und Handeln immer auch vor dem Hintergrund der Rechte der anderen zu sehen. Ein beeindruckender Einstieg in eine Welt, die sich enorm verändert hat, seit Johannes Gutenberg mit der Erfindung des Buchdrucks Mitte des 15. Jahrhunderts überhaupt erst die Möglichkeit der Informationsverbreitung schuf. „Wenn ihr heute Bücher lest, dann wisst, es war nicht immer so, denn alles begann mit Gutenbergs Vision“, heißt es in einer Würdigung der Schüler.

„Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann“ beleuchten sie mit einer Szene, angelehnt an Heinrich Bölls „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“: In einer bei der – natürlich rein fiktiven – „B-Zeitung“ abgehaltenen Redaktionskonferenz geht um die rücksichtslose Jagd der Boulevardpresse nach Sensationsgeschichten. Passend dazu wandelt die Band aus Musikern der Jahrgangsstufe den Police-Song „Every breath you take“ ab in „I’ll be stalking you“. Ohnehin wird das Geschehen auf der Hauptbühne immer wieder durch thematisch abgestimmte Musik-Einlagen aufgelockert, live und ausdrucksstark.

Die Revue ist aber auch gespickt mit echten Brüllern, bei denen das Publikum kaum noch an sich halten kann. Köstlich sind die Persiflage auf „Wetten, dass…?“ und besonders die ländliche Ausgabe der TV-Castingshow „Hilles Next Top Model“ – mit einer urkomischen Anna Günther als Wettkandidatin mit dem besonderen Geschmack für die Milch ihrer Kühe („Berta schmeckt anders als Doris“) und als dröges Bauern-Model mit Latzhose und Mistgabel. Die „Glotze“ als Antikommunikationsmittel („Loriot – Fernsehabend“) und die Bedeutung des Radios in den 50er- und 60er-Jahren „Der Radiosender AFN“) geraten anschließend in den Mittelpunkt.

Einer der musikalischen Höhepunkte im zweiten Teil: Mika Jan Holstein als Sänger in „Kein Schwein ruft mich an“, ein herrlich authentisches Stück Nostalgie, und Dehas Yumusak mit seiner Live-Looping-Einlage. Der Q2-Literaturkurs hat sich inzwischen von der Erfindung des Phonographen über die Schallplatte bis zum Telefon vorgearbeitet, nimmt die Sucht, über das Handy immer und überall erreichbar sein zu müssen auf die Schippe und kritisch unter die Lupe. „Zurück zur Menschlichkeit“ lautet das Fazit. In den Fokus rücken schließlich auch die weit verbreiteten Beleidigungen und Schimpftiraden im Internet. Einen sehr starken Eindruck davon, wie Opfer sich fühlen, vermittelt Karoline Wittemeier mit ihrem ergreifenden Monolog und einer bewegenden Tanzeinlage als Amanda Todd – die kanadische Schülerin wurde 2012 durch Cyber-Mobbing in den Selbstmord getrieben.

Copyright © Mindener Tageblatt 2017
Quelle: http://www.mt.de/lokales/hille/21993513_Medien-Revue-an-der-Verbundschule-Kritik-von-der-Smartphone-Generation.html

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